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Oflag VC
Französische Kriegsgefangene
Das katholische Salvatorkolleg im Wurzacher Schloss passte nicht in die Bildungslandschaft des NS-Staates und musste auf Anordnung der württembergischen Kultverwaltung bis spätestens April 1940 geschlossen werden. Für die Nutzung des jetzt leerstehenden Schlosses gab es eine Reihe von Überlegungen - das kleinste Übel schien die Verpachtung des großen Gebäudes an die Wehrmacht zur Einrichtung eines Kriegsgefangenenlagers zu sein.
Im Spätsommer 1940 begann die Einrichtung des Kriegsgefangenenlagers Oflag VC - die Abkürzung steht für Offizierslager im Wehrkreis V, das C für das 3. Lager dieser Art im Wehrkreis. Im Schlosspark wurden Baracken errichtet, um das Schloss, in dem das Hauptlager eingerichet wurde, wurde ein doppelter Stacheldrahtzaun gezogen. Eine Besucherdelegation des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) zeigte sich beeindruckt von dem alten Gebäude und beschrieb das Oflag VC im September 1941 folgendermaßen:
"Das Lager findet sich in einem großen Schloss aus dem 18. Jahrhundert, das bis vor Kurzem von einem bedeutenden Seminar belegt war. Alle Gefangenen wohnen im Schloss, das auch die Krankenstation, die Speisesäle und die Kapelle beherbergt. Die Verwaltung und das Wachpersonal sind in Baracken untergebracht. Ein großer Hof dient den Offizieren … Auf der anderen Seite des Gebäudes findet sich ein weitläufiger Hof, der für die Unteroffiziere reserviert ist … Die Räume und Gänge des Schlosses sind weitläufig; man findet insbesondere eine monumentale Treppe im Rokokostil. Die vorgesetzten Offiziere sind zu zweit oder zu viert in geräumigen Zimmern untergebracht, die Offiziere niederer Ränge in Schlafsälen, wo sie über viel Platz verfügen können … Alle Räumlichkeiten sind hell, mit elektrischem Licht ausgestattet und werden mit Hilfe von Kachelöfen geheizt."
Der Chor der Kriegsgefangenen wirkt auch bei Gottesdiensten mit.
Hier präsentiert er sich mit dem Chorleiter am Harmonium.
Die Erstbelegung des Lagers fand im Februar 1941 statt und erreichte im Frühjahr 1941 einen Höchststand von 804 Mann, im Durchschnitt waren es etwa 600 Mann, wobei die Offiziere selten mehr als 20 % der Belegung darstellten. Der älteste Gefangene war Hauptmann Tomasi, Jahrgang 1886, die jüngsten elf Insassen waren Jahrgang 1920, also gerade 21 Jahre alt, als sie in Kriegsgefangenschaft gerieten. Den größten Anteil stellten die Jahrgänge 1911 bis 1916, die Männer waren also zu Beginn ihrer Gefangenschaft zwischen 25 und 30 Jahren alt. Vertrauensmann der Offiziere war Oberstleutnant (Lieut-Colonel) Toussaint Girolami, Vertrauensmann der Unteroffiziere und Soldaten war Aspirant Jacques Santini. Wie die anderen französischen Kriegsgefangenen wurden auch die Insassen des Oflag VC in Wurzach nicht von Vertretern einer neutralen Schutzmacht betreut, sondern von der französischen Kriegsgefangenenfürsorge SDPG der Vichy-Regierung, der sogenannten Mission Scapini. Entsprechend des Artikels 27 der Genfer Konvention durften weder die Offiziere noch die Unteroffiziere zur Arbeit gezwungen werden; Mannschaftsgrade aus dem Oflag finden sich aber in landwirtschatlichen Arbeitskommandos in der nächsten Umgebung.
Bild rechts: Antoine Pagni malt die Ansicht Wurzachs aus der Perspektive der Kriegsgefangenen.
Deutlich zu erkennnen ist der doppelläufige Stacheldrahtzaun.
Links: Die Nachricht über das IKRK an die Familie von Antoine Pagni über dessen Gefangenschaft.
Die Bewachungseinheit Oflag VC wurde am 30. August 1940 aufgestellt, die Kommandantur in Wurzach bestand aus Major Langfeldt mit seinem Stab. Das Bewachungspersonal bestand in der Regel aus einer knapp 50 Mann starken Gruppe des Stammpersonals der Einheit Oflag VC und etwa 130 Mann aus der Wachkompanie (vermutlich vom Landesschützenbataillon 411). Im Mai 1942 wurde das Wurzacher Lager in Oflag VD, Zweiglager Wurzach umbenannt, zeitweilig findet sich auch die Bezeichnung Oflag 55 (VD). Nach dieser Herunterstufung zum Zweiglager wurde die Zensur der Kriegsgefangenenpost vom Stalag (Mannschaftsstammlager) VB in Villingen übernommen, das neben dem Stalag VA in Ludwigsburg Außenkommandos in Oberschwaben hatte.
Das Wurzacher Oflag war insofern ein Sonderfall, als die Offiziere trotz der Bezeichnung Oflag in der Minderheit waren. Dies lag daran, dass hier Gefangene nach einem anderen Kriterium zusammengeführt wurden. Bis zu Beginn dieser Recherche war nicht klar, warum in Wurzach der Großteil der Gefangenen französische Soldaten korsischer Herkunft waren. Mit Unterlagen aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes konnte jetzt aufgezeigt werden, dass man damit den Bitten des Verbündeten Italien nachkam, das sich damit eine Möglichkeit versprach, diese besondere Gefangenengruppe in seinem Sinne zu beeinflussen oder gar auf seine Seite zu ziehen. Die verschiedenen Wehrmachtsbehörden zeigten sich von diesem "korsischen Experiment" aber überhaupt nicht begeistert, da man auch Schwierigkeiten mit der französischen Kriegsgefangenenbehörde befürchtete, kamen aber der dringenden Bitte des Auswärtigen Amtes trotzdem nach. Da sich die korsischen Gefangenen entgegen der italienischen Hoffnungen aber für Frankreich aussprachen und die Kriegslage sich änderte, wurde das Experiment abgebrochen und die Korsen wieder in andere Lager verlegt.
Liste der Kriegsgefangenen im Oflag VC (pdf)
( Prisonniers de guerre [Oflag VC] )
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